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Archiv für Januar 2014
Aufruf des Offenen Antifa Treffens Freiburg & Region [OAT]:
Keine Alternative?
Am Samstag, 1. Februar 2014 will die neoliberale und rechtspopulistische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Bürgerhaus in Freiburg-Zähringen eine Veranstaltung abhalten. Als Redner tritt das marktradikale und neoliberale Flaggschiff der Partei Bernd Lucke auf. Neben seiner Funktion bei der AfD-Gründung und als Mitglied des Vorstandes sind es auch gerade die öffentlich inszenierten Reden Luckes, welche für neue Wählerstimmen sorgen sollen. Mit seinen neoliberalen und elitären Forderungen vertritt er dabei konsequent die Linie der Partei und steht damit für eine Politik, welche die Gegensätze innerhalb der Gesellschaften weiter verstärken will, die mit Argwohn und Abscheu „nach Unten“ blickt und tritt und die unter dem Deckmantel der Euro-Kritik vor allem von einer noch stärkeren Machtposition der BRD in der Europäischen Union träumt.
Doch nicht nur die neoliberalen Positionen dieser Partei sind hervorzuheben. So distanzierte sich die Parteiführung in der Vergangenheit zwar immer wieder medienwirksam von „rechtsextremen Positionen“ wie zum Beispiel denen der NPD oder DVU. Allerdings ist es nicht zu leugnen, dass ein großer Teil der Wähler aus enttäuschten Kreisen am rechten Rand der FDP oder CDU kommen. Mehr noch: Die rechtspopulistische und antimuslimische Kleinstpartei „Die Freiheit“ ließ verlauten, ihre Mitglieder sollen geschlossen den Bundestagswahlkampf der AfD unterstützen. So verwundert es auch nicht weiter, dass immer mehr Positionen der Partei von ehemaligen Mitgliedern von „Die Freiheit“ oder gar der Partei „Die Republikaner“ besetzt werden. Jens Eckleben, der ehemalige Landesvorsitzende der „Freiheit“ und Gründungsmitglied der Hamburger AfD ist bei weitem kein Einzelfall. Auch weitere Vertreter einschlägiger Positionen aus Freiburg finden sich im Umfeld der AfD wieder. Neben dem „Alten Herren“ Dubravko Mandic der Burschenschaft Saxo-Silesia, welcher nun auch im Schiedsgericht des Landesverbandes Baden-Württemberg für die AfD sitzt, fällt v.a. Martina Kempf aus Breisach auf. Neben ihrem reaktionären und christlich fundamentalistischen Engagement für die sog. „Lebensschützer“ schreibt sie als Autorin für die extrem rechte Zeitung „Junge Freiheit“ und scheute sich in der Vergangenheit auch nicht, vor einem Interview mit dem faschistischen Blatt „Zuerst“, welches in der März-Ausgabe 2013 erschien. Die Liste mit Personen, welche offene Sympathien für rechte Positionen haben, ließe sich ohne weiteres fortführen.
Eine offene Hinwendung zur extremen Rechten hat es in der Partei zwar noch nicht gegeben, allerdings legen die beschreibenen Entwicklungen einen weiteren Schwank nach Rechts nahe. Zudem handelt es sich auch um wahltaktische Entscheidungen, mit Hilfe eigener Programmatik Wählerstimmen am rechten Rand abzugraben. Jegliche Distanzierungen zu extrem rechten Parteien wie den Republikanern kann mit Hinblick hierauf getrost als Augenwischerei abgetan werden.
Die „Alternative für Deutschland“ ist eine reaktionäre Partei, deren Rhetorik, Elitendenken und Flanke nach Rechts unserem Verständnis eines solidarischen Miteinanders entgegensteht. Daher:
Gemeinsam am 1. Februar gegen die Veranstaltung der Rechtspopulisten protestieren!
Keine Alternative! – Für eine solidarische Gesellschaft!
Am 20. Januar 2014 wurde auf der Homepage des baden-württembergischen AfD-Landesverbandes ein Diskussionbeitrag publiziert, der antimuslimische Züge trägt. Er ist als Diskussionsbeitrag offenbar nicht Ausdruck der Meinung der Gesamt-Mitgliederschaft der AfD verweist aber auf die Existenz eines antimuslimischen Flügels, dem immerhin Raum gegeben wird öffentlich seine ‚Thesen‘ zur Diskussion zu stellen.
Der Beitrag stammt von Harald Noth aus dem Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald und trägt den Titel „Nationalstaat und muslimische Migranten“1. In ihm wird es abgelehnt anzunehmen, dass religiöser Fundamentalismus nur ein Minderheit unter deutschen Muslimen betrifft. Vielmehr wird behauptet der Koran und seine fundamentalistische Interpretation hätte für die meisten Muslime in Deutschland bestimmenden Charakter:
ca. 81% der Moslems in Deutschland sind Sunniten und Schiiten; für diese ist der Koran das unverfälschte, nicht interpretierbare Wort Allahs. Das Leben Mohammeds, beschrieben in den Hadithen, ist für sie auch über 600 Jahre nach dessen Tod vorbildhaft.
Die lebensweltliche Anwendung der islamistischen Auslegung der islamischen Texte seien angeblich in der Mehrheit der muslimischen Minderheit in Deutschland akzeptiert:
Die heiligen Schriften des Islam nähren diese in Europa nicht tolerierbaren Elemente der Volkskultur und viele in dieser Kultur Befangene finden die Bestimmungen des Koran, der Hadithen und der Scharia vielleicht nicht als 1:1 umsetzbar, aber in ihrem Geist doch als richtig.
Die Zustände in islamistische begründeten Theokratien (Gottesstaaten) werden auf Deutschland übertragen. Angeblich würden Muslime auch hierzulande Andersgläubige per se diskriminieren:
Die Herabsetzung von Christen und Ungläubigen führt jetzt schon, wo die Muslime noch in der Minderheit sind, zu erheblichen Konflikten, die in den Medien allerdings oft verschwiegen oder verharmlost werden.
Es wird mit dem Schreckgespenst eines kommenden Kulturkampfes gewedelt:
Bei Fortsetzung der jetzigen Tendenz würden in Deutschland in wenigen Jahrzehnten die Türken die größte Ethnie und die Muslime die größte Religionsgruppe sein. Da der Koran aber den „Sieg über alle anderen Religionen“ anstrebt (Suren 61,9; 48,28; 8,39) und dies nicht nur auf friedlichem Weg, kann es im zukünftigen Deutschland zu einem islamischen Machtanspruch und dem Versuch, ihn mit allen Mitteln durchzusetzen, kommen.
Konkret geht es um den Angst-Abtraum einer ‚Islamisierung Deutschlands‘:
In Deutschland, wo das soziale Netz noch fast jeden auffängt, befindet sich die islamische Parallelgesellschaft in einem Ruhezustand; Ausbrüche von Massengewalt wie in englischen und französischen Städten kennen wir hier noch nicht. Es ist aber verhängnisvoll, den Islam aus einer Ruhephase heraus zu beurteilen und sein Gewaltpotential zu ignorieren.
Zur Gegenwehr empfiehlt Harald Noth unter der Zwischenüberschrift „Der deutsche Nationalstaat bedarf einer deutschen Leitkultur“ eine Art Abwehr-Nationalismus der ‚Deutschen‘:
Die jungen Türken, Araber usw. brauchen sehr deutliche Signale, dass wir Deutsche zu unseren Werten stehen und wir wünschen, dass sie sich kulturell weit auf uns zubewegen. Wenn das der Fall ist, werden sie auch AfD wählen.
Bei Noth bleiben Muslime in Deutschland „Türken, Araber“ und damit ‚die Anderen‘, die ‚uns‘, den ‚Deutschen‘, entgegengestellt werden. Deswegen gilt es den ‚deutschen‘ Bevölkerungsanteil zu steigern:
Eine kontrollierte Einwanderung von Fachkräften halte auch ich für notwendig, sie darf aber die Förderung der Familie und des Kinderreichtums bei den Deutschen nicht ersetzen; der anzustrebende Idealzustand ist, dass unsere zukünftigen Fachleute hier geboren und in unserer Kultur geprägt und ausgebildet werden. Der deutsche Nationalstaat ist bunter geworden, darf aber nicht vor lauter Buntheit zerfallen. Die deutsche, auf christlichen Werten beruhende freiheitliche Kultur muss Leitkultur sein und bleiben.
Fachkraft-Zuwanderung ist okay, aber Deutschland muss mehrheitlich ‚deutsch‘ und christlich bleiben, so Noth.
Muslime dagegen werden unter Generalverdacht gestellt:
Von Mitgliedern der AfD muss erwartet werden, dass sie jeden Totalitarismus ablehnen, nicht etwa nur den Nationalsozialismus. Ein Mitglied, das an Allah glaubt, darf den Islam nicht kritiklos propagieren. Wer gar Funktionär der AfD sein und eine Führungsrolle spielen will, muss die mit dem Grundgesetz nicht kompatiblen und mit der deutschen Kultur nicht vereinbaren Bestimmungen des Koran entschieden und offen ablehnen.
Eine Forderung, die der Autor gegenüber keiner anderen Religionsgemeinschaft stellt.
Roland Vaubel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der AfD. Wie ein kritischer Bericht auf „german-foreign-policy“ offenlegt, stellte Vaubel Überlegungen an, der „Unterschicht“ das passive Wahlrecht zu entziehen:
Während die AfD gegenwärtig auch durch punktuelle Kontakte in die äußerste deutsche Rechte von sich reden macht [8], sind vor allem einige Aktivisten und Unterstützer der Partei aus politisch durchaus etablierten Kreisen in der Vergangenheit mit offen antidemokratischen Positionen hervorgetreten. Dies gilt etwa für Roland Vaubel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der AfD. Vaubel hat im Jahr 2007 Vorschläge zum „Schutz der Leistungseliten in der Demokratie“ veröffentlicht. „Leistungseliten“ könne man etwa „dadurch schützen, dass man ein Zwei-Kammer-System einführt und diejenigen, die die Hauptlast der (direkten) Besteuerung tragen, eine der beiden Kammern wählen lässt“. Alternativ könne man „ein System“ mit zwei Kammern gründen, „in dem beide Kammern von allen Bürgern gewählt werden, aber mit unterschiedlichen Gewichten“.[9] Der Vorschlag läuft auf das Ende der demokratischen Gleichheit und die Einführung eines politisch offen privilegierten Standes hinaus.
* Hans Georg: Alternative für Deutschland“ – gegründet von Teilen der rechten Eliten, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58685
Andreas Zimmermann, Beisitzer im Landesvorstand der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative Baden-Württemberg“ verfasste am 21. Januar 2013 einen Text, der die Überschrift „Familie und Generation – Ein Debattenbeitrag zu Programmatik und Strategie“ trägt. Darin wird eine rechte Perspektive des Autors deutlich sichtbar.
Zum Anfang lobt er „die Deutschen“ in vergangener Zeit als „fruchtbares Volk“:
Die Deutschen waren stets ein ungemein fruchtbares Volk. Das vor gut hundert Jahren eingeweihte Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, errichtet zur Erinnerung an die Befreiungskriege wider dem napoleonischen Frankreich, gibt in Stein gemeißelte Auskunft darüber. Im Innenraum repräsentieren vier Figuren die Tugenden der zeitgenössischen Deutschen – neben Tapferkeit, Opferbereitschaft und Glaubensstärke auch die sogenannte Volkskraft, also jene Fruchtbarkeit, von der wir heute noch zehren.
Unsere Geburtenstärke war wortwörtlich grenzenlos.
Die in die Vergangenheit zurückprojezierte ‚wir Deutschen‘-Perspektive ist eindeutig nationalistisch. Ob die BewohnerInnen dieses Gebietes sich damals alle überhaupt als ‚die Deutschen‘ begriffen oder sich evtl. mehr über ihre Bauern-Sein etc. definierten, ist aus historisch-kritischer Sicht fraglich.
Nach dem Lob der ‚Fruchtbarkeit‘ der ‚Deutschen‘ früher, kommt eine Kritik der mangelhaften Vermehrung heute. Das gelte es zu ändern, so Zimmermann. Denn dafür gäbe es gute Gründe:
Die Nation wird wehrhafter. In einer multipolaren und nicht weniger konfliktreichen Welt können wir so eine dem Schutz unserer Interessen und Wahrung unserer künftigen Souveränität angemessene Streitkraft stellen.
Auch soll mit der Steigerung der Geburtenrate ‚der Deutschen‘ eine Einwanderung abgewehrt werden:
Ein eigener Bevölkerungsüberdruck erschwert prinzipiell die Entladung fremder Bevölkerungsüberschüsse in unser Land.
Nebenbei plädiert Zimmermann noch für etwas, was er als „Islamkritik“ bezeichnet:
Neben der Eurokritik scheint es uns ein weiteres politisches Minenfeld angetan zu haben – die sogenannte Islamkritik. So ehrlich und gutgemeint alle Aufklärungsversuche bezüglich dieses Themas sind: Sie zeigen erstens unseren Widersachern wohin sie schlagen müssen und sie leiden zweitens an einer perspektivischen Verzerrung. Denn das Problem ist nicht die Stärke des Islam oder des hier lebenden Teils der Moslems, welche sich nicht anpassen wollen. Das Problem ist unsere Schwäche. Insofern bildet die trotz sachlich fundiertem Ansatz strategisch kurzsichtige, da öffentlich sanktionierte, Kritik an islamischer Realität Deutschlands nur eine Seite der Medaille dieser Einheit ab. Auf der anderen Seite liegt dort eine deutsche Aufnahmegesellschaft brach, welche sich mehr um das Schicksal von Krötenpopulationen sorgt als um sich selbst.
Auch wenn Zimmermann behauptet, dass das Problem „nicht die Stärke des Islam“ sei. Was er auf jeden Fall macht, ist eine Einteilung in ‚wir‘ (Nicht-Muslime) und die ‚anderen‘ (Muslime). So etwas wie deutsche Muslime bzw. muslimische Deutsche gibt es aus der Perspektive des Autors nicht.
Zuletzt versucht er noch ‚die Deutschen‘ zur verstärkten Reproduktion anzuhalten, indem er vor einer ansonsten verstärkten Einwanderung warnt:
Nahe verwandt der ‚Islamkritik‘ ist in demografischem Zusammenhang auch die Befürchtung (binneneuropäischer) Armutszuwanderung. Wie oben bereits erwähnt, sollten wir eher gen Bevölkerungsüberdruck tendieren. Lieber Auswanderungs- als Einwanderungsland! Denn eines zeigt die Geschichte deutlich: Freie Territorien werden immer besiedelt, vor allem so wunderschöne wie das unsrige. Wenn wir’s nicht tun machen’s andere! Einschließlich angestrebter Regelungen, (binneneuropäische) Armutszuwanderung nicht zu forcieren, sondern möglichst komplett zu verhindern, sollte auch eine Bevölkerungspolitik für Deutschland wenn nicht explizit in unserer Europaprogrammatik Erwähnung finden, so doch stets als wirkmächtige Richtlinie mitgedacht werden.
Zimmermann zeigt mit seinem Debatten-Beitrag für die AfD, dass man auch solche Themen wie „Familie und Generation“ nationalistisch aufladen kann.